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Die originalen Ermittlungsakten, Anklageschrift und Endurteil sind als sechsbändiges Konvolut ein wichtiger Bestandteil des Forschungsportals Schinderhannes.

Warum ein Forschungsportal Schinderhannes?

Zahlreiche Akten sind erst in den letzten Jahren wiedergefunden worden, mehr und mehr Puzzleteile setzen sich zusammen.

So ist bemerkenswert, daß seine Brutalität selbst seine Richter schockierte, die ihn als "allerämsigsten" bezeichneten, wenn es darum ging, seinen Opfern Schmerzen zuzufügen. Anders als gemeinhin bekannt, lag Schinderhannes' Wirkungsgebiet nicht nur in Hunsrück und Nordpfalz, sondern im Großraum zwischen Lahn, Main und Neckar im Rechtsrheinischen, Mosel und Südpfalz links des Rheins. Heimgesucht von Schinderhannes, gaben hier viele Menschen (meist jüdischen Glaubens) ihre Heimat auf und zogen in die Neue Welt.

Heute wird gerne verkannt, daß er keinesfalls ein Robin Hood war, für den viele Menschen ihn halten. So sind dem historischen Schinderhannes keine "guten" Taten zuzuschreiben, die einen Vergleich rechtfertigen. Ebenso ist meist unbekannt, daß er nur einer von vielen Verbrechern dieser Zeit war. Ihn gar als Bandenchef zu bezeichnen, ist nach den historischen Dokumenten nicht haltbar. Auch war er kein Freiheitskämpfer, der sich für die Befreiung der linksrheinischen Gebiete von den Franzosen einsetzte.

Sehr viel hat sich in den letzten zehn Jahren zum Thema getan. Durch die Forschung wurden u.a. 1.083 Strafakten des Zeitraums 1796-1803 (der "aktiven" Zeit des Schinderhannes) ausgewertet und in diesem Zusammenhang zum ersten Mal seit dem Tod des Räubers dessen Strafakte umfassend aufgearbeitet. Um ein möglichst vollständiges Bild zu bekommen, wurde zudem sein gesamtes Auftreten (auch rechts des Rheins in Taunus, Wetterau, Vorderer Odenwald) recherchiert, in einen Zusammenhang gebracht sowie Sagen und Tatsachen getrennt. Viele Überraschungen sind dabei ans Licht gekommen.

Eine Bitte habe ich an Sie als Leser dieser Seite: Die Recherchearbeit zu dieser Forschung lebt vom Mitmachen.

 

Viele Heimatforscher, Ortsvereine und Geschichtsinteressierte haben seit 1993 mit Hunderten von Puzzlestückchen zu Quellen über Schinderhannes dazu beigetragen, daß das Bild um den berüchtigten Räuber immer klarer wurde. Insgesamt wurden für diese Arbeit bis heute etwa 150 Vorträge in 140 Ortschaften gehalten, um weitere Informationen "vor Ort" zu bekommen. Zögern Sie bitte nicht, eine Mail zu schreiben.   

Wenn auch der Name Schinderhannes noch heute in aller Munde ist, gab es in den über 200 Jahren seit seinem Tod weder das Bestreben, eine vollständige Sammlung der historischen Quellen anzulegen, noch diese Quellen (insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen sich widersprechenden Aussagen) aufzuarbeiten. Zugegeben, die Zahl der zeitgenössischen Unterlagen ist enorm und diese sind auf mehrere Dutzend Archive und Bibliotheken sowie auf mindestens sieben Länder und zwei Kontinente verstreut.

Besonders schade ist es, daß insbesondere durch zahlreiche Romanschreiber im 19. Jahrhundert, Groschenhefte mit Fortsetzungsfolgen über den angeblichen Räuberhelden und nicht zuletzt durch Käutners Film "Schinderhannes" von 1957 mit Curd Jürgens in der Hauptrolle, die wahre Person des Schinderhannes fast völlig aus dem Bewußtsein der Menschen verschwunden ist.

Das Fehlen einer zuverlässigen Aufarbeitung des Themas wurde zum Anlaß einer inzwischen 20 Jahre dauernden Recherche, in der das Thema von Grund auf vollständig neu bearbeitet wurde.

Erstmalig erfolgten

- eine umfassende Quellensammlung in den Gemeinde-, Stadt- und Staatsarchiven im In- und Ausland. Heute liegen etwa 50.000 Seiten historische Dokumente vor. Es stellte sich heraus, daß fast die Hälfte der gefundenen Unterlagen seit 200 Jahren offenbar unbeachtet war.

- eine Aufarbeitung des links- UND rechtsrheinischen Auftretens des Räubers unter Trennung von Tatsachenberichten und Sagen. Heute läßt sich Schinderhannes z.B. an mehr als 100 Orten im Rechtsrheinischen (= also auf der östlichen Rheinseite nachweisen).

- eine Aufarbeitung der Strafakten unter juristischen Gesichtspunkten (also unter der Maßgabe, es wäre die damalige Gerichtsverhandlung nochmals durchgeführt worden). Dabei konnten 130 Straftaten des Räubers und 93 Mittäter nachgewiesen werden.

- eine Auswertung von 1.080 Straftatender Region Mittelrhein (Schwerpunkt die umfassenden Archive von Mainz und Frankfurt/M.) der Jahre 1796 bis 1803. Inzwischen sind dadurch über 3.000 Täter und Opfer jener Zeit bekannt und zahllose Zusammenhänge insbesondere in der organisierten Kriminalität offenbar geworden.

- eine Bearbeitung der französischen Strafgerichtsbarkeit, die seit Ende 1797 im Linksrheinischen eingerichtet wurde, und der rechtsrheinischen - deutschen - Justiz (im wesentlichen am Beispiel Mainz und Frankfurt/M.)

Die Menge der zeitgenössischen Unterlagen ist jedoch so immens, daß das Thema nicht schon nach wenigen Jahren als abgeschlossen gelten kann. Es verhält sich wie ein Puzzle: Erst nach und nach lassen sich Lücken schließen. Aus diesem Grund gibt es auch die seit 2004 dauernde Vortragsreihe, durch die sich hunderte von Kontakten zu Heimat- und Familienforschern ergeben haben - bis hin nach Brasilien. Ein scheinbar zusammenhangloses Papierstückchen, gefunden in einem unbearbeiteten Aktenstapels eines damaligen Ermittlers, genügt deshalb manchmal, um einen kompletten Mordfall zu lösen.

 

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